Essensreste

Jiaotze I

Eigentlich sollte es der Artikel über “Jiaotze”, chinesische Teigtaschen, werden. Diese werden traditionell zum Frühlingsfest in China gegessen, doch dann hat mich das Orm* wie ein Schlag getroffen und es kam eine Mythenmetzsche** Abschweifung der besonderen Art dabei heraus:

Das der Chinese nach dem Mondkalender ins neue Jahr gestartet ist ist schon ein wenig her, im Jahr des Drachen bieten sich allerdings nur wenige Möglichkeiten, den Namenspender kulinarisch “auszuschlachten”. Im letzten Jahr, im Jahr des Hasen war das recht einfach, da hätte ich locker ein paar schöne Rezepte aus dem Handgelenk schütteln können, dabei wären Rosmarin und schwerer Rotwein nicht zu kurz gekommen. In China kommt der Hase dann mit Knochen in handliche Stückchen geschnitten in den Wok, vor allem an Ingwer und und Knoblauch sollte es nicht fehlen und Koriander passt auch hervorragend.

Hase

Hase

Im Kochmeister fand ich dann ein echt grauenvolles Rezept, angeblich chinesische Zubereitungsweise zwar nicht für den Hasen, aber doch für den kurzohrigen Verwandten, in dem Worcestersauce, rotes Paprikapulver und Currypulver eine Rolle spielen. Was an dem Rezept, außer der Schuss Sojasoße, nun chinesisch sein soll, habe ich nicht verstanden, vielleicht das Karnickel selbst, denn ein Teil im Supermarkt verkauften Ware stammt aus dem Reich der Mitte….

Beim Drachen ist das alles nicht so einfach mit der Zubereitung, die segeln zwar bei Harry Potter und Eragon recht wendig über die Kinoleinwand, dort haben wir ebenfalls gelernt, dass animierte Drachen gar nicht so schwer zu zähmen sind, aber die Metzgerei nebenan hat weder Filetstücken noch Dragonwings im Angebot. Und auch in Guangzhou, wo ja bekanntlich alles auf dem Markt landet, was sich bewegt und Augen hat wird man nicht fündig, wenn man nach einem schuppigen Hinterteil für eine Drachenschwanzsuppe sucht und das, obwohl ein Großteil der Chinesen von der realen Existenz der Viecher überzeugt sein dürfte.

Auch die Romanvorlagen geben nicht viel her, wie mit Drachen kulinarisch zu verfahren ist und ob es einen Unterschied zwischen den bis zu siebenköpfigen und feuerspuckenden Riesenechsen aus dem europäischen Mittelalter oder dem aus neun verschiedenen Tieren zusammengesetzten Mischwesen der chinesischen Mythen gibt, die Flüsse, Seen, Buchten und Brunnen schützen, aber auch Unheil in Form von Flut und Überschwemmungen zu verantworten haben.

Drachen

Pate gestanden haben für den chinesischen Drachenkopf das Kamel, ein Karpfen für die Barteln, die Ohren eines Wasserbüffels, den Hals einer Schlange, die Pfoten eines Tigers mit den Krallen eines Adlers, die Hörner eines Hirsches, den Hinterleib einer Muschel und den Augen des Teufels!!!! (sagt Wikipedia). Das ist ja grauenvoll, und da stutze ich und suche mir die Finger fleckig, wie soll ein chinesischer Drache zu den Augen des Teufels kommen und nach geraumer Suche dann wahrscheinlich des Rätsels Lösung: Es sind gar nicht die Augen des Teufels, sondern die des Hasen, hier die beiden Zeichen: 鬼 versus 兔.

Fassen wir mal geschmacklich zusammen; Kamel habe ich in Chengde, also 250 Kilometer nordöstlich von Beijing probiert, als eine Art Boulette, das war ok. aber nicht so berauschend. Karpfen erfordert überall viel Muse, wegen der Gräten und sollte ordentlich gewässert werden, damit der Fisch nicht zu modrig schmeckt. Wegen der Gräten lieben ihn die Chinesen, mit der Zunge an Knorpeln rumpulen und Knöchlein und Gräten bis zum letzten Fitzelchen abnagen, das bereitet ihm einen Genuss, den wir hier in Europa nicht nachempfinden können. Wasserbüffel werden in Indien und Nepal gern serviert, da ja dort die normalen Rindviecher heilig sind, der arme Wasserbüffel aber nicht. Ein gutes Steak von dem einen ist von einem guten Steak von dem anderen nicht zu unterscheiden. Schlange habe ich auch schon ein paar Mal probiert, für den Europäer nicht überzeugend, der Chinese hat seine wahre Freude daran, mit der Zunge in den Knorpeln herumzuwühlen, ansonsten liegt der Geschmack irgendwo zwischen Frosch und Fisch.

Bei Tiger und Adler wird es dann schon schwieriger, beide Tiere sind rot gelistet, also keine Chance diese geschmacklich auszuwerten. Hirsch und Hase sind uns allen geläufig und ich denke sofort wieder an schweren Rotwein und Rosmarin, bleiben also nur noch die Muscheln; hier macht es bei der Auster eher des Spritzer Zitrone und die frische Seebrise auf der Zunge, gekocht, gedünstet oder gegrillt mag ich die Mollusken gerne, empfehlen kann ich da unsere ehemalige deutsche Kolonie Qingdao/ Tsingtao mit echt tollen Straßenlokalen und frischester Ware auf den Märkten.

Das einzige, was noch ein bisschen an das Fabelwesen erinnert sind Drachenfrüchte, die man auch bei uns ab und zu in den Märkten findet, rote weiche Früchte, deren Blattansätze ein wenig wie Drachenschuppen aussehen. Das Fruchtfleisch ist weiß mit kleinen schwarzen, essbaren Samen, es gibt auch eine Variante mit rotem Fruchtfleisch. Die Frucht schmeckt bei uns zumeist ein wenig wie eine etwas lasche Kiwi, ist jedoch in Südostasien, also direkt beim Erzeuger, wesentlich aromatischer und kraftvoller, bei uns taugt die Frucht aber trotzdem als nette Garnitur.

 

Dann fallen mir da noch die “Drachenaugen” ein, auch Longan genannt, eine Frucht die in Aussehen und Geschmack der Litschi ähnelt, auch hier kann ich nur sagen, die muss man probiert haben und freue mich schon wieder auf das Mekongdelta im nächsten Frühjahr!

Zu Reise “Mekong, Strand und Angkor Wat” auf meiner Tomtomtravel Seite!

 

Und dann kann der Drache ja noch aus der Teetasse blicken, fast hätte ich ihn vergessen, den Drachenbrunnetee aus Hangzhou, leicht zu erkennen am etwas rauchigen Geschmack und und den flachen, gerösteten Teeblättern. In Shanghai schwanken die Preise von einem Euro für Massenware bis hin zu 20 Euro für hundert Gramm. Letzteres bekommt man hierzulande in keiner Teehandlung, bei einer Teeprobe im Reich der Mitte sollte man aber keinesfalls darauf verzichten eine bessere Sorte mit einer normalen Qualität zu vergleichen. Den Namen verdankt der Tee einer Quelle in der alten Kaiserstadt Hangzhou. Der Legende nach lebte ein Drache in der Nähe der Quelle. Nach einer langen Dürre bat ein taoistischer Mönch ihn um Hilfe. Als es dann tatsächlich regnete, benannten die Chinesen aus Dankbarkeit die Quelle als Drachenbrunnen und den in der Nähe wachsenden Tee als Drachenbrunnen-Tee.

Ich wühle noch einmal in meinen alten Büchern und beim Anderson “The food of china” werde ich fündig, in einem völlig anderen Kapitel, es geht um Katzenfleisch: Cats are very rarly eaten, but a disch called “dragon, tiger and phoenix” is made from snake, cat and chicken. I supose it is one of the most hyperboically named dishes in the world. It is eaten more for medicinical than for gustory reasons.

So müsste also Drache schmecken, aber vielleicht könnte man probieren, das Fleisch der einzelnen Tiere schön klein zu hacken und als Füllung für die traditionellen Teigtaschen, Jiaotze, zu verwenden. Und so habe ich dann doch wieder den Bogen zum eigentlichen Thema gefunden.

 

Fußnoten und Lesetipps:
*Orm, das – spirituelle Erleuchtung des Dichters, siehe Walter Moers: Die Stadt der träumenden Bücher
**Hildegunst von Mythenmetz, Zamonischer Schriftsteller übersetzt von Walter Moers:
Das Labyrinth der Träumenden Bücher

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