Allium paradoxum, Wunderlauch oder auch Berliner Bärlauch
In den letzten Jahren hatte ich es doch immer wieder verpasst, doch in diesem Jahr bin ich im deutschen Lande und es ist auch wieder soweit. Das erste Grün zeigt sich Ende März und es beginnt die Bärlauch-Saison!
Gehört hatte ich von einigen richtig dicken Standorten in der Stadt und habe mich deshalb gleich gestern auf den Weg gemacht. Idyllisch liegt der Treptower Park an der Spree und kaum hat man die Pommesbuden hinter sich gelassen, da duftet es auch schon recht knoffelig und schon hinter dem ersten besten Gebüsch findet sich ein lauchartiges Gewächs, das den Anforderungen genügt………
Etwas klein ist es ja, wenn man es mit dem Bärlauch aus dem Laden vergleicht und auch die Blütenstände habe ich anders in Erinnerung. Dafür wächst es dicht und in rauhen Mengen. Die Reibeprobe besteht die Pflanze auch, nimmt man die Blätter zwischen die Finger und reibt ein wenig, wird der Duft nach Knoblauch oder Zwiebel stärker. Also beginnt die Sammlung. Peter und ich sind vielleicht eine halbe Stunde beschäftigt und ziehen von Fundstelle zu Fundstelle. Nach Süden hin wird es immer dicker mit dem Lauch und es wächst direkt an den Wegen, meist unter Bäumen und Gebüschen. Es scheint, wir beiden sind die einzigen Sammler und werden ab und zu neugierig beäugt. Nur einmal schnarrt ein älterer Mann zu seiner Frau absichtlich so laut, dass wir es nicht überhören können, dass er sich ja nicht so sicher sei, ob man das denn überhaupt dürfe.
Mit vollen Beuteln verlassen wir den Park in Richtung Plänterwald und auch hier sieht man schon vom Weg riesige Felder der leckeren Pflanze, genug für alle Gourmets in dieser Stadt.
Zurück zu Hause dann die Erkenntnisse. Wir haben keinen Bärlauch gezupft! In Berlin gibt es kaum Bestände von Allium ursinum, also dem “echten” Bärlauch. Was wir mit nach Hause gebracht haben ist Allium paradoxum, Wunderkraut heißt das Gewächs wird aber auch Berliner Bärlauch genannt.
Den ersten Geschmackstest hat es ja schon im Park bestanden, ich konnte keinen Unterschied zu den echten Bärlauchen/Bärläuchen (Wie heißt der korrekte Plural zu Lauch????) feststellen und man braucht beim Sammeln kein schlechtes Gewissen zu haben. Bärlauch steht nämlich in Brandenburg auf der Roten Liste und darf deshalb nur zum eigenen Gebrauch und nicht gewerbsmäßig gesammelt werden. Der Wunderlauch dagegen tritt hier in Massenbeständen auf und breitet sich invasiv aus, damit darf man in unserer Berliner Umgebung den Wunderlauch getrost zupfen. Mal sehen, ob es mit der Invasion klappt. Peter hatte einige Exemplare mitsamt Zwiebel herausgezogen, die haben wir dann gleich in den Hof gepflanzt und hoffen, dass uns dann im nächsten Jahr der gebratene Bärlauch regelrecht in den Mund fliegt.
Damit ist die rechtliche Seite geklärt, kommen wir nun zu den Gefahren des Bärlauchsammelns. Zum einen die Verwechslungsgefahr mit Maiglöckchen und Herbstzeiltloser. Die Gefahr mag beim echten Bärlauch bestehen, beim Berliner Wunderlauch ist sie geringer, denn die Blütenstände des Wunderlauch sind schon ab Anfang/Mitte April zu sehen. An den kleinen weißen etwas traurigen Blütenköpfe und den Brutzwiebeln an den Blütenständen lässt sich der Wunderlauch gut unterscheiden.
Auch wird vor den Eiern des Fuchsbandwurmes gewarnt, die am Bärlauch haften können. Dagegen lässt sich nichts sagen, Füchse gibt es fast überall in Berlin. Einer wohnt gleich gegenüber im Gewerbegelände, am Wochenende schleicht er sich dann immer in den verlassenen Kindergarten. Wie hoch nun die Gefahr ist, das lässt sich schlecht ermitteln. Wikipedia beruft sich auf die Uni Würzburg und einen Fuchsbandwurmexperten, der sogar ein solches Übertragungsrisiko negiert. Damit bleibt die größte Gefahr beim Bärlauchsammeln hier in Berlin, die Fahrt zum Park und nach Hause mit dem Fahrrad.
Wer es also mit seinem Bärlauch nach Hause geschafft hat steht dann wieder auf der gesunden Seite des Lebens. Der Bärlauch enthält Allicin, ein Antibiotikum und das tötet Pilze ab, ebenfalls senkt er den Cholesterinspiegel, regt die Harnbildung an, reguliert die Leber und die Galle, senkt den Blutdruck und schützt vor Arterienverkalkung. Ebenfalls enthält Bärlauch große Mengen an Vitamin C und ätherischen Ölen. Er regt den Appetit an, lindert Schwächezustände, ist wassertreibend- und jetzt kommt der totale Hammer- „verleiht dem Stuhl das notwendige Volumen.“ Ich bin restlos hin und weg, fehlt eigentlich nur noch…….genau und da haben wir es: Man sagt dem Bärlauch auch nach, dass er das Sexualleben bei Männern und Frauen (Frauen noch einmal extra hervorgehoben!) anregt.
Inzwischen habe ich meinen Bärlauch gewaschen und wieder etwas trocknen lassen und mit dem großen chinesischen Hackmesser bearbeitet. Gute 200 Gramm stopfe ich mit 100 ml Olivenöl und drei großen Esslöffeln Parmesan in den Pürierer und drehe alles kurz durch. Da ich leider keine Pinienkerne oder Cashews zur Hand habe, ist das Bärlauchpesto recht straff im Lauchgeschmack, dagegen mixe ich dann noch drei oder vier kleine süße Cherrytomaten drunter und natürlich ein bisschen Salz-mehr braucht es nicht.
Gestern hatte ich beim ersten frischen Spargel nicht vorbeigehen können, der brodelt jetzt schon fröhlich mit ein wenig Essig, einem halben Löffel Zucker, einen Schuss Öl und etwas Salz im Topf. Ich muss aufpassen, denn ich mag den Spargel lieber noch fast knackig, also eine Minute zu kurz als zu lang.
Parallel dazu werfe ich die frisch bereiteten Gnochis aus einer Masse aus Pellkartoffeln, einem Ei, Mehl und einer Prise Salz ins siedende Wasser. Es ist mein erster Versuch mit den italienischen Miniklößen und der gelingt recht ordentlich, viel lässt sich ja auch nicht verkehrt machen.
Und dann ist der kleine Schmaus auch schon fertig: Spargel mit Gnochi und frischem Bärlauchpesto.
Meine Restbestände verarbeite ich zu Tofubällchen, die werden einmal kurz in heißem Wasser warm gemacht und kommen dann in eine kalte Tomatensuppe. Bei einer kalten Suppe kann man kreativ sein und dazugeben, was es gerade an frischen Kräutern gibt, Dill ist nie verkehrt und Rauke gibt ordentlich Würze.
Obwohl überall davon abgeraten wird, habe ich versucht ein paar von den versehentlich mit herausgezogenen Bärlauchzwiebeln in unserem Hof anzusiedeln, allerdings kam nach schon einer der Woche der Gärtner und hat alles wieder weggemacht, dann werde ich mich im nächsten April dann doch wieder auf den Weg an die Spree machen müssen.
Auch habe ich von echten Bärlauchbeständen, Allium ursinum, gehört und die müssen nächstes Jahr gefunden werden! Die Frage nach dem korrekten Plural des Bärlauches konnte mir der Duden beantworten: Es gibt keinen.
Super Artikel, endlich weiß ich, was ich damit machen soll. Bei uns wuchert er im Garten und es wird immer mehr…
Den echten Bärlauch haben wir auch, verbreitet sich ähnlich.
Mit einem kleinen Topf konnte ich nach einem Jahr zwei, drei Gläschen PEsto machen.
LIebe Grüße aus dem Berliner Süden, Beate
Super Beitrag! Ich werde mich demnächst auch mal auf den Weg in den Treptower Park machen
MfG
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